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8 Gründe für den Hausarzt

8 Gründe warum Hausärzte die wahren Stars der Medizin sind

Die Allgemeinmedizin ist weder die prestigeträchtigste noch die bestbezahlte ärztliche Berufsgruppe. Ist das angemessen, oder sollte es genau umgekehrt sein? Sollten Hausärzte als die wahren Stars der Medizin angesehen werden? Als Allgemeinmediziner und Primärversorgungs-Wissenschaftler war es für mich spannend, mich tiefer mit der wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema zu befassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse.

1. Hausärzte sind das Rückgrat eines effektiven Gesundheitssystems

Länder, die sich stärker auf die Primärversorgung und die Allgemeinmedizin konzentrieren als auf Krankenhäuser und Fachärzte, zeigen eine bessere Gesundheit,1,2 verringern gesundheitliche Ungleichheiten,2,3 und vermeiden Krankenhausaufenthalte.2,4 Ich glaube, dass dies von entscheidender Bedeutung ist und dass alle Politiker darüber Bescheid wissen sollten. Die folgende Grafik zeigt den eindrucksvollen Unterschied in der vorzeitigen Sterblichkeit zwischen Ländern mit schwacher und starker Primärversorgung:

2. Mehr Hausärzte = höhere Lebenserwartung

Wusstest du, dass Menschen in Gegenden mit mehr Hausärzten länger leben? Studien aus den USA haben gezeigt, dass ein zusätzlicher Hausarzt pro 10.000 Einwohner mit jährlich 2-5 weniger Todesfällen5,6 und 4 weniger Krankenhausaufenthalten verbunden war5. Im Durchschnitt stieg die Lebenserwartung um 52 Tage.7 Insgesamt hätte eine solche Erhöhung der Anzahl der Hausärzte 127.617 Todesfälle pro Jahr in den USA verhindern können.6 Diese Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen der Dichte an Hausärzten und der Lebenserwartung in den unterschiedlichen US-Bundesstaaten:

3.Ein fixer Hausarzt kann Leben retten

Patienten, die sich für einen Hausarzt und nicht für einen Facharzt entscheiden, haben eine 19%8 niedrigere Sterblichkeitsrate und verursachen 22%9-33%8 weniger Gesundheitsausgaben. Auch systematische Übersichtsarbeiten zum Thema „Kontinuität“ ergaben in den meisten der einbezogenen Studien einen Rückgang der Sterblichkeit.10,11 Mit anderen Worten: Wer einen eigenen Hausarzt hat und sich zuerst an ihn wendet (und nicht an einen Facharzt), lebt länger und spart Geld! Eine fantastische Studie aus Norwegen12 (basierend auf 4,5 Millionen Menschen im Jahr 2018) zeigt, dass es ihnen gesundheitlich umso besser geht, je länger Sie Ihren Hausarzt kennen. Patienten, die ihren Hausarzt seit mehr als 15 Jahren kennen, verringern die Zahl der akuten Krankenhauseinweisungen um 28%, die Zahl der ambulanten Behandlungen um 30% und sogar ihr Sterberisiko um 25%. Diese Grafik veranschaulicht, dass der Nutzen einer langfristigen Hausarzt-Patienten-Beziehung sogar „dosisabhängig“ ist (längere Hausarzt-Patienten-Beziehung = geringeres Risiko, vorzeitig zu sterben):

Warum verbessern langfristige Hausarzt-Patienten-Beziehungen die Gesundheit und senken auch noch die Kosten?11,13

  • Mit der Zeit lernen Hausärzte ihre Patienten immer besser kennen. Man muss nicht mehr alle Befunde durchsehen oder die gesamte Anamnese wiederholen.

  • Mit der Zeit sehen Hausärzte ihre Patienten in einem erweiterten Kontext. Man kennt die medizinische Geschichte des Patienten ebenso gut wie deren Familie, Freunde, Kollegen und die Eigenheiten ihrer lokalen Gemeinde.

  • Mit der Zeit entsteht mehr Vertrauen. Die Compliance verbessert sich und unnötige Selbstüberweisungen an andere Ärzte nehmen ab.

  • Mit der Zeit verbessert sich die Kommunikation. Die Patienten reden leichter über persönliche Probleme und medizinische Fehler werden dadurch leichter vermieden.

4. Hausärzte erbringen die meisten Gesundheitsleistungen

Die folgende Grafik zeigt, dass die weitaus meisten Kontakte zwischen Patienten und Ärzten mit Hausärzten stattfinden. Im Durchschnitt haben doppelt so viele Patienten Kontakt zu Hausärzten wie zu allen Fachärzten (in Ordinationen und/oder Ambulanzen) zusammengerechnet. Während Medien und Politiker vor allem über beeindruckende Intensivstationen oder neue Technologien sprechen, findet die eigentliche Arbeit dennoch in den Hausarztpraxen statt.

Hausärzte bieten eine wohnortnahe und umfassende Versorgung für die meisten Versorgungsanlässe, die meisten Krankheiten und alle Organe. Sie sind daher die Basis eines jeden Gesundheitssystems. Diese Zahlen lassen keinen Zweifel daran zu.

5. Hausärzte verbessern das Management chronischer Erkrankungen

Unsere Bevölkerung wird immer älter und chronische Krankheiten, Multimorbidität und Polypharmazie nehmen deshalb zu. Die Allgemeinmedizin ist deshalb heute wichtiger denn je! Warum? Weil chronische Erkrankungen hauptsächlich in der Primärversorgung behandelt werden und daher zum Tagesgeschäft der Hausärzte gehören:

  • Patienten mit Multimorbidität verursachen 78% aller Arzttermine (basierend auf 100.000 britischen Patienten).21

  • Mehr als 45% der Patienten in der Primärversorgung sind multimorbid (basierend auf 700.000 US-Patienten).22

  • Hausärzte übernehmen die Hauptbetreuung von 86% der Bluthochdruckpatienten und 71% der Diabetiker (basierend auf 2,7 Millionen kanadischen Patienten).23

  • Bei Patienten mit Multimorbidität, die normalerweise eher ihren Hausarzt als einen Facharzt aufsuchen, waren die Sterblichkeitsrate um 2%, die Zahl der Krankenhausaufenthalte um 6% und die Gesundheitsausgaben um 9% niedriger (basierend auf 4 Millionen US-Patienten).24

6. Hausärzte priorisieren Prävention

Eine Erklärung, warum Hausärzte die Gesundheit verbessern und dabei Kosten sparen, ist deren stärkere Ausrichtung auf Prävention. Eine kürzlich durchgeführte Studie mit fast 3 Millionen US-Patienten zeigte, dass diejenigen, die einen Hausarzt aufsuchten, viel häufiger Präventionsleistungen in Anspruch nahmen: 127% mehr Impfungen, 122% mehr Koloskopien und 75% mehr Mammographien.25 Wie die folgende Grafik zeigt, nehmen Patienten, die einen fixen Hausarzt haben, viel häufiger Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch:

Quelle: Continelli26

7. Hausärzte sparen Geld

Hausärzte können Geld sparen, indem sie:

  • Die Prävention und des Managements chronischer Erkrankungen verbessern

  • Potenziell schädlichen diagnostischen und therapeutischen Interventionen vermeiden

  • Unnötiger Facharztbesuche und Krankenhausaufenthalte verhindern

Deshalb hat eine kürzlich durchgeführte Studie mit 5 Millionen US-Patienten gezeigt, dass der erste Besuch beim Hausarzt 3.976 Dollar und jeder weitere Besuch 721 Dollar pro Jahr einspart.27 Eine weitere Studie von 6 Millionen Amerikanern zeigte, wie bereits erwähnt, dass ein eigener Hausarzt die Gesundheitskosten um 22% senkt9 (eine andere Studie ergab eine Senkung um 33%8). Auch können Gesundheitssysteme mit einer stärkeren Ausrichtung auf die Primärversorgung mit niedrigeren Kosten28 bzw. zumindest mit einem langsameren Anstieg der Kosten einhergehen2. In Europa gab es in Ländern mit einer stärkeren Primärversorgung weniger unnötige Krankenhausaufenthalte, insbesondere bei Asthma, COPD und Diabetes.2 Dies ist auch deshalb eine bemerkenswerte Statistik, da Hausarztbesuche vergleichsweise kosteneffizient sind. Wie die folgende Grafik zeigt, machen die Leistungen der Primärversorgung nur 8,1% der gesamten Gesundheitskosten in der EU (2018) aus.29

Quelle: OECD Gesundheitsstatistik 2020 (ohne zahnärztliche Versorgung)29

8. Hausärzte wirken gesundheitlichen Ungleichheiten entgegen

Die Chancen, ein gesundes Leben zu führen, sind in unserer Gesellschaft weder gleich noch gerecht verteilt. Die Lebenserwartung wird in hohem Maße von Bildung, Einkommen und dem Beruf beeinflusst, wie hier dargestellt:

Quelle: GK Singh und H Lee 202130

Wie oben gezeigt, sind eine stärkere Ausrichtung auf die Primärversorgung3 und eine höhere Hausarztdichten31 beide mit einer Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheiten verbunden. Aber warum? Nun, eine starke Primärversorgung verbessert den Zugang für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, sie bietet umfassendere Versorgungsleistungen, und die Hausärzte kennen ihre Patienten meist länger und besser. Mit anderen Worten: Die Patienten können mehr Leistungen einfacher und angemessener erhalten. All dies ist besonders wichtig für benachteiligte Menschen die meist mehr Risikofaktoren, mehr chronischen Erkrankungen, mehr Medikamenten und geringerer Gesundheitskompetenz haben.32 Letztes Jahr hatte ich die Ehre, Sir Michael Marmot, den ehemaligen Vorsitzenden der WHO-Kommission für soziale Determinanten von Gesundheit und ehemaligen Präsidenten des Weltärztebundes, zu seinen Ansichten über Primärversorgung und gesundheitliche Ungleichheiten zu befragen. Hier sind seine Antworten auf YouTube zu finden.

Mechanismen

Kurz gesagt, WARUM sind Hausärzte so wichtig und WIE verbessern sie die Gesundheit und sparen dabei Geld?

  • Hausärzte kennen ihre Patienten gut, was die Diagnosegenauigkeit verbessert.

  • Hausärzte genießen großes Vertrauen, was die Compliance medizinischer Ratschläge fördert.

  • Hausärzte verbessern die Prävention, wodurch Krankheiten vermieden werden können.

  • Hausärzte verbessern die Früherkennung, was die Behandlungsergebnisse verbessert.

  • Hausärzte verbessern das Management chronischer Erkrankungen, was Komplikationen vermeidet.

  • Hausärzte verhindern unnötige Wiederholungen von diagnostischen Tests.

  • Hausärzte reduzieren vermeidbare und potenziell schädliche medikamentöse Therapien.

  • Hausärzte verhindern unnötige Facharztbesuche und Krankenhausaufenthalte.

  • Hausärzte bieten die gleichen Leistungen kostengünstiger an als Fachärzte oder Krankenhäuser.

  • Hausärzte verbessern die Orientierung und Koordination in einem komplexen System.

Fazit

Gesundheitssysteme, die sich auf die Primärversorgung fokussieren, und Patienten, die langfristig ihren eigenen Hausarzt haben, genießen viele Vorteile. Hausärzte kennen ihre Patienten am besten und genießen ein hohes Vertrauen, was zu besseren Behandlungsergebnissen führt. Sie sind wohnortnäher und bieten kosteneffizientere Krankenversorgung an. Und weil der weitaus größte Teil der Krankenversorgung in den Arztpraxen (und nicht in den Krankenhäusern) stattfindet, wird dort die eigentliche Qualität der Prävention und des Managements chronischer Erkrankungen bestimmt. Hier können unnötige und potenziell schädliche Eingriffe vermieden werden. Durch das Schreiben dieses Blogartikels wurde mir noch klarer, dass Hausärzte das Rückgrat eines jeden effektiven Gesundheitssystems bilden und somit die eigentlichen Stars der Medizin sind. Bist du auch überzeugt, dass Hausärzte die eigentlichen Stars der Medizin sind? Wenn ja, dann teile diesen Artikel bitte!

Weiteres

Da ich nicht nur Arzt, sondern auch Wissenschaftler bin (hier mehr über mich), fühle ich mich dazu verpflichtet, auf einige der wissenschaftlichen Limitierungen im Zusammenhang mit diesem Blogbeitrag hinzuweisen:

  1. Korrelation bedeutet nicht Kausalität und vieles von dem, was wir heute über die Primärversorgung wissen, beruht auf Beobachtungsstudien.

  2. Jeder der oben angesprochenen Punkte würde eine eigene systematische Übersichtsarbeit erfordern, um die vorhandene Evidenz vollständig darzustellen, was bei einem Blogbeitrag jedoch nicht möglich ist.

  3. Jede der zitierten wissenschaftlichen Studien hat ihre eigenen, spezifischen Limitierungen.

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